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Von "Cloud First" zu "Cloud Only": Einordnung der jüngsten Ankündigung von SAP

„Bei der SAP-Bilanzpressekonferenz am 20. Juli 2023 hat Christian Klein, CEO und Mitglied des Vorstands, angekündigt, dass die neuesten Innovationen von SAP nur in der Cloud verfügbar sein sollen. Konkret sollen sie nur für Kunden zugänglich sein, die SAP S/4HANA Cloud, Public Edition oder SAP S/4HANA Cloud, Private Edition über GROW-with-SAP- oder RISE-with-SAP-Verträge nutzen. Das bedeutet nicht, dass On-Premise-Lösungen generell funktional nicht weiterentwickelt werden. Aus Sicht der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe e. V. (DSAG) lässt SAP mit diesem Vorgehen zahlreiche treue Kundenunternehmen im Stich“, so reagierte die DSAG auf die Ankündigungen der SAP Anfang August. Grund genug für GISA aus Sicht unserer Kunden auf das Thema zu blicken.

Schauen wir uns die Ankündigungen doch einmal im Detail an und bewerten diese:

Innovation nur noch in der Cloud: Brücke in die Zukunft

Die Entscheidung der SAP, Innovationen nur noch in der Cloud anzubieten, markiert einen entscheidenden Wendepunkt, den insbesondere auch die DSAG in einem aktuellen Statement als diskussionswürdig erachtet. Diese Ausrichtung unterstreicht die Notwendigkeit für Unternehmen, den Schritt in die Cloud zu wagen, um nicht von den neuesten Technologien und Funktionalitäten abgeschnitten zu werden. Dieser Fokus auf Innovation in der Cloud bildet die Brücke zur zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit und Agilität, die Unternehmen benötigen, um in einer sich ständig verändernden Geschäftswelt erfolgreich zu sein. 

Was bedeutet Innovation in der Cloud?

Innovationen in der SAP-Cloud-Welt umfassen derzeit insbesondere Lösungen rund um Künstliche Intelligenz (KI). Die Entwicklung von KI ist nicht unbedingt eine Kernkompetenz der SAP. Aber Cloud-Technologien ermöglichen eine „lose Integration“, wie im SAP-Quartalsbericht „Open Ecosystem AI“ beschrieben, die auf den seit langem bekannten serviceorientierten Architekturen (SOA) basiert. Auch Nachhaltigkeit wird zum Innovationstreiber, wenngleich es hier noch an etablierten Standards mangelt.

Der Strategiekurs der SAP ist nachvollziehbar, aber…

Die Cloud-Transformation der SAP ist funktional und strategisch nachvollziehbar, die Neudefinition der „alten SAP-Welt“ führt jedoch derzeit zu einer Verunsicherung im SAP-Ökosystem. Entscheidend wird sein, wie gut sich die RISE-Pakete in der Umsetzung tatsächlich bewähren und welche weiteren Investitionsanreize gesetzt werden. Branchenspezifische Anforderungen und unterschiedliche Veränderungsgeschwindigkeiten passen nicht immer in das Eins-zu-viele-Modell einer Cloud, das wird auch SAP wissen. Business Technology Platform (BTP) und Industry Cloud spielen hier eine Schlüsselrolle, indem sie Technologien und Services für genau diese Kundenbedürfnisse auch in der neuen SAP-Welt ermöglichen. Nicht zuletzt müssen aber auch Anwendungen und Technologien, die nicht von SAP stammen und in den Unternehmen zahlreich vorhanden sind, in eine übergreifende IT-Architektur integriert werden.

Die Transformation in die Cloud ist aus heutiger Sicht ein unausweichlicher Schritt, der jedoch sorgfältig geplant und begründet werden muss. Der aktuelle Transformationsdruck ist bis 2040 datiert, also ein Punkt für die längerfristige IT-Strategie. Die Individualität der Kundenbedürfnisse wird weiterhin eine zentrale Rolle spielen und die Berücksichtigung von Branchenspezifika ist unabdingbar. Die Roadmap des eigenen Unternehmens und die Entwicklungen der SAP sollten aktiv verfolgt werden. Abwarten ist keine nachhaltige Option. Wie bereits mit dem Markteintritt von SAP HANA und der Weiterentwicklung von SAP S/4HANA scheint es SAP nun auch mit der Cloud und den Angeboten rund um RISE ernst zu meinen.

Strategische Ausrichtung: Die SAP als Cloud Company

Die Zahlen sprechen für sich: SAP setzt verstärkt auf Cloud Computing und hat ehrgeizige Planungsziele. Die Quartalsberichte der SAP zeigen einen klaren Trend auf dem Weg zur Cloud Company. Die jüngsten Planzahlen untermauern diese Entwicklung und zeigen, wie SAP die Transformation zur Cloud Company in einem dynamischen Wettbewerbsumfeld schaffen will.

Dies bedeutet dabei eine Neudefinition der „alten SAP-Welt“. Traditionelle On-Premise Netweaver-Lösungen werden durch Cloud-Ansätze für S/4HANA insbesondere in Verbindung mit Hyperscaler-Infrastrukturen abgelöst. Die „neue SAP-Welt“ umfasst verschiedene Cloud-Modelle, darunter die SAP Private Cloud Option und die Public Cloud für S/4HANA. Es wird als Gesamtpaket mit den Programmen SAP RISE und SAP GROW vermarktet.

Die jüngste Ankündigung der SAP, von einer „Cloud-First“- zu einer „Cloud-Only“-Strategie überzugehen, hat weitreichende Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen. Strategische Ausrichtung, Lizenzierung, Wartungsgebühren, Hosting-Partnerschaften und die Zukunft von Add-ons und Eigenentwicklungen – all diese Punkte sind von der Transformation betroffen.

Immer mehr Cloud-Anwendungen: Relevanz für SAP-Kunden steigt

Mit SuccessFactors, Ariba und Co. investiert SAP bereits seit einigen Jahren in reine Public-Cloud-Angebote. Mit den aktuellen RISE-Angeboten folgt nun aber auch das wichtigste Portfolioelement der SAP, die Business Suite bzw. S/4HANA mit dem zugrundeliegenden Netweaver-Stack, in die Public Cloud-Technologieumgebungen.

Lizenzierung: Attraktivität von RISE nimmt zu

Die strategische Entscheidung in Richtung Cloud-Only hat insbesondere Auswirkungen auf die Lizenzmodelle der SAP. Das SAP RISE-Modell soll für Kunden attraktiver werden. Es kommt mit einem vorstrukturierten Einstieg, der es Unternehmen ermöglicht, die Transformation in die Cloud direkt von SAP zu beziehen und anschließend weiterhin Zugriff auf die neuesten Funktionalitäten zu haben.

Hosting-Partner: Änderungen in der Partnerlandschaft

Der Wegfall des Partnermodells für Hosting stellt eine bedeutende Veränderung für das SAP-Ökosystem dar, d.h. für Kunden und Partner. Dies wird dazu führen, dass Partner ihre Geschäftsmodelle überdenken und sich stärker auf die Beratung, Implementierung und Integration von Cloud-Lösungen im Application Management konzentrieren müssen. Die notwendige Kompetenz und das Management der zugrundeliegenden Hyperscaler wird jedoch weiterhin eine zentrale Rolle bei der Bereitstellung von SAP-Services spielen.

Eigenentwicklungen: Cloud-Kompatibilität durch Clean-Core-Konzept

Durch die Cloud-Only-Strategie der SAP erfahren Add-Ons und Custom Code eine Neuausrichtung. Diese Veränderungen wirken sich auf die Kompatibilität und Flexibilität von Erweiterungen aus. Der Fokus auf die Cloud-Zertifizierung von Add-Ons und Custom Code soll sicherstellen, dass Anpassungen nahtlos in die SAP-Cloud-Landschaften von morgen integriert werden können. Unternehmen werden ermutigt, ihre individuellen Anpassungen zu überdenken und sicherzustellen, dass sie den Standards und Anforderungen der Cloud entsprechen. 

Das Clean-Core-Konzept, das eine klare Trennung zwischen Standardfunktionalität im SAP-Code und kundenspezifischem Code vorsieht, gewinnt in diesem Zusammenhang an Bedeutung. Dieses Konzept ermöglicht es Unternehmen, eine saubere und aufgeräumte Systembasis in S/4HANA (Clean-Core) sicherzustellen und gleichzeitig individuelle Anpassungen und Erweiterungen im Side-Car-Ansatz auf der Business Technology Platform (SAP BTP) vorzunehmen. Im Zeitalter der aktuellen Cloud-Transformationen wird das Clean-Core-Konzept zur Leitlinie, um von jährlichen kundenindividuellen Release-Wechselprojekten im SAP-Backend auf quartalsweise Push-Releases umzusteigen, wie man sie bereits aus den Clouds von Microsoft und Co. kennt.

Wie weiter?

GISA ist bereits in einigen Bereichen in der neuen SAP-Welt präsent. Nach unserer Ansicht wird SAP nicht gänzlich auf Kundenindividualität verzichten. Die Anpassbarkeit von Lösungen auf Kundenspezifika war immer ein Wettbewerbsvorteil von SAP, gerade in der Zusammenarbeit mit Partnern wie auch GISA. In diesem Sinne wird gegenüber der schwindenden Bedeutung von Hosting nach unserer Meinung die Bedeutung von AMS (Application Management) zunehmen. 

Cloud-Lösungen, die kleinteiliger werden und nebeneinanderstehen, brauchen eine Orchestrierung. Und auch Non-SAP Lösungen müssen in eine ganzheitliche IT-Landschaft strategisch integriert werden. Hier ist guter Rat auf Augenhöhe gefragt. Von der strategischen Beratung bis hin zu Demo-Architekturen können Sie mit GISA auf ein breites Spektrum an Erfahrungen zurückgreifen.

Michael Seifert

Michael Seifert

Der studierte Wirtschaftsinformatiker Michael Seifert ist seit 2010 bei GISA tätig. Aktuell ist er als Senior Manager u.a. für die strategische Ausrichtung der SAP-spezifischen Leistungen der GISA verantwortlich. Seine Expertise erstreckt sich über verschiedenste Themen, wie z.B. Architektur Management, SAP-Technologien sowie Plattformlösungen. Mit dem Thema Cloud Computing setzt er sich, neben seiner täglichen Arbeit bei GISA, auch in der Forschung auseinander.

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