Blog

Beitrag teilen auf: 

Prototyping! Lassen Sie Ideen Flügel wachsen!

1959 stellt sich der britische Industrielle Henry Kremer die Frage: Kann ein Flugzeug nur mit der Körperkraft seines Piloten fliegen? Kremer glaubte an die Machbarkeit und lobte ein Preisgeld von £50.000 (heute ca. 1,3 Millionen Dollar) aus. Der Pilot sollte mit einem durch bloße Muskelkraft betriebenen Flugzeug ohne Hilfe starten und in mindestens drei Meter Höhe eine liegende Acht um zwei 800 Meter auseinanderstehende Pfähle fliegen. Die Herausforderung schien simpel, doch in den darauffolgenden 18 Jahren scheiterten 50 Konstrukteurteams an dieser Aufgabe. Erst am 23. August 1977 gelang es dem Luftfahrtingenieur Paul MacCready und dem Piloten Bryan Allen, sich das Preisgeld zu holen. In nur elf Monaten entwickelte MacCready und sein Team die Gossamer Condor.

Was machten sie anders als die Konkurrenz? Ihre Konstruktion aus Aluminium, Klavierdraht und Plastikfolie ließ sich nach jedem Fehlversuch mit Fertigbauteilen und Panzertapp rasch reparieren und überarbeiten. Während die Konkurrenten für jeden Testflug ein Jahr Arbeit investierten, schuf MacCreadys Team ein Flugzeug, das sie in wenigen Stunden fliegen, reparieren und wieder fliegen konnten. Ihr Erfolgsgeheimnis war Prototyping.

Das Prototyping dient der Erprobung von Vermutungen und Theorien, mit Hilfe von aufwandsarm erstellten, günstigen Testversionen. Prototypen bieten dem Entwicklungsteam die Möglichkeit, ihre Ideen zum Leben zu erwecken, die Praktikabilität der aktuellen Idee zu testen und zu prüfen, wie Endanwender über ein Produkt denken. Dabei gilt: Prototyping ist ein Prozess. Es gibt niemals nur einen Prototypen, denn niemand hat gleich die perfekte Lösung für ein Problem. Es gilt: „Try, try, try, and try again“!

Prototypen werden in zwei Kategorien unterteilt: Low- und High-Fidelity-Prototypen. Beim Design Thinking arbeitet man meist mit Low-Fidelity-Prototypen. Mit diesen skizzenhaften, auf Grundelemente reduzierten Prototypen lassen sich Funktionalitäten und Abläufe losgelöst von der Ausgestaltung einzelner Elemente überprüfen. Für die prototypische Umsetzung erster Ideen eignen sich Stift und Papier perfekt. Papierprototypen sind schnell erstellt und überarbeitet. Wenn Sie Papierskizzen nutzen, müssen Sie niemandem erklären, dass es sich um die Visualisierung erster Ideen auf dem Weg zum Konzept handelt. Low-Fidelity-Prototypen können aber auch aus Pappe, Knete, Strohhalmen oder Legosteinen konstruiert werden. Alles was zur Visualisierung einer Idee nützlich erscheint, kann zum Bau eines Prototypen genutzt werden. Darüber hinaus können Low-Fidelity-Prototypen auch durch Rollenspiele wie beim Bodystorming oder Service Staging erlebbar gemacht werden. Auch eine Kombination aus physischem Prototypen und Rollenspiel wie beim Wizard-of-Oz-Experiment ist möglich.
Die Vorteile dieser Art des Prototypings liegen auf der Hand:

  • Es ist möglich, sofortige Änderungen vorzunehmen und neue Iterationen zu testen.
  • Einfache Prototypen ermöglichen es dem Team, mit geringem Zeit- und Arbeitsaufwand einen Gesamtüberblick über das Produkt zu erhalten, anstatt sich im Laufe langsamer, inkrementeller Änderungen auf die feineren Details zu konzentrieren. Prototypen entstehen in Stunden – nicht in Wochen!
  • Jeder kann einen Prototyp bauen. Es braucht keine besonderen Fähigkeiten oder Erfahrungen, um eine erste Versionen eines Produktes zu erstellen, um sie mit Benutzern zu testen oder die Meinungen von Stakeholdern einzuholen.
  • Low-Fidelity-Prototypen sind Wegwerfartikel. Es fällt leichter, sich von ihnen zu trennen.

 

Übrigens: MacCreadys Team gewann nicht nur das Preisgeld für das erste durch Körperkraft betriebene Flugzeug. 1979 gewann das Team mit dem Nachfolgemodell Gossamer Albatross, dem ersten bemannten Fluggerät, das den Ärmelkanal überquerte, auch noch den 2. Kremer-Preis in Höhe von £100.000 (heute ca. 2,6 Millionen Dollar). Prototyping kann sich also wirklich auszahlen.

Quellen:
Aus dem Archiv des San Diego Air and Space Museum: „The Flight of the Gossamer Condor“. Abgerufen am 21. November 2019 von https://youtu.be/l4wlC1Qex8A
Nur strampeln. [SPIEGEL ONLINE] (1977-05-09). Abgerufen am 21. November 2019 von https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40831486.html

Irka Schneider

Irka Schneider

Irka Schneider ist im Bereich User Experience & Portale als UX Designerin und Usability Engineer bei GISA tätig. Sie ist Wirtschaftspsychologin mit den Schwerpunkten Konsumenten- und Ingenieurpsychologie. Seit 2004 ist sie als Usability Professional tätig. Zuletzt arbeitete sie bei der Technische Informationsbibliothek (TIB), der weltweit größten Spezialbibliothek für Technik und Naturwissenschaften, im Forschungs- und Entwicklungsbereich.

Diese Beiträge könnten Sie auch interessieren:

Lieferketten einfach transparent machen

Das 2023 in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LSKG) soll Menschenrechte und Umweltschutz weltweit stärken. GISA entwickelt ein schlankes, kosteneffizientes Tool, über das sich die aus dem Gesetz resultierenden Berichtspflichten mit wenig Aufwand erfüllen lassen.

Mehr erfahren »
Sie haben nicht das richtige Produkt gefunden? Sprechen Sie uns an! Wir freuen uns auf Ihre Nachricht.